Indonesien

km 29199 Java, die blauen Feuer des Mount Ijens

Adrijan, unser AirBNB Typ von Bali ist super hilfreich und passt einen Teil unserer Sachen auf, damit wir vier mit leichtem Rucksack auf unsere Java Rundreise gehen können. Nachdem wir in Indien so günstig mit den öffentlichen Bussen unterwegs waren, schlagen wir dummerweise sein Angebot für einen privaten Minibus ab. Auf dem Weg zum Busbahnhof bringt Flo noch seinen defektes MacBook zum Apple Store und wir lassen uns vom Taxi beim Busbahnhof absetzen. Kaum ausgestiegen, belabern uns einige nervige Balinesen und wollen uns penetrant ihre überteuerten Tickets andrehen. Es geht alles zu schnell und irgendwie haben wir vier Tickets für je 90k in der Tasche. Später stellt sich raus, dass wir nicht nur 15k pro Ticket zu viel gezahlt haben, sondern dass wir auch mit einem Minibus für 50k pro Person zur Fähre gekommen wären oder für ein bisschen mehr einen privaten Kleinbus nur für uns gehabt hätten.. Aber das schlimmste ist, dass der Bus sich zwar halbwegs pünktlich in Bewegung setzt, aber jeweils nur für ein paar hundert Meter. Dann seht er wieder quälende, gefühlte Ewigkeiten einfach still, bevor er dann wieder im ersten Gang mit halber Mopsgeschwindigkeit durch die Stadt schleicht.

Immer wieder sind wir kurz davor, einfach unser Zeug zu schnappen und schreiend aus dem Bus zu springen. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt und außerhalb der City findet er doch noch das Gaspedal. Nach 140 Kilometern erreichen wir die Nordspitze Balis in langen vier (!) Stunden doch noch, um schließlich mit der Fähre nach Java überzusetzen.
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Auf der Fähre haben wir dann mit einer großen, schon fast übertrieben interessierten Schülergruppe aus Java viel Spaß. Sie wollen alles von Jasmin und mir wissen und fragen uns aus, wo wir herkommen, was wir arbeiten und was unser Lieblingsgericht ist. Einer freut sich unheimlich, dass er mich auf Facebook addend darf und als dann der erste sich traut, nach einem Foto zu fragen, will auf einmal die ganze Baggage mit uns auf einem Handyfoto sein und wir stehen wieder mal gerne wie Superstars mit unseren jungen ‚Fans‘ für die minutenlange Fotosession zur Verfügung. Die Jungs und Mädels sind echt putzig und verabschieden uns mit einem netten „Tschüüüs“, was wir ihnen noch beibringen..

Spät abends landen wir nach einer halben Ewigkeit dann schließlich doch noch in der 1.5 Millionen-Stadt Banyuwangi im Osten Javas, einer eher strangen und für Ausländer kaum interessanten indonesischen Küstenstadt. Wir finden nach etwas Suchen zwei Zimmer, in dem uns ausnahmsweise kein beißender Schimmelgeruch entgegen schießt. Aber indonesische Städte sind laut, es ist heiß und man schläft ohnehin eher schlecht durch die vielen Unterbrechungen wegen lärmenden Lautsprechern, schreienden Muezzinen, energischem Hupen oder andersartigen Lärmquellen.

Abends gibt‘ beim Strassenverkäufer leckere Nasi & Mi Gorengs, bei denen wir alle für insgesamt knapp drei Euro satt werden. Im Internet informieren wir uns über Touranbieter für einen Abstecher zum nahegelegenen Vulkan Mount Ijen. In dessen Kratermitte soll man neben dem sauren, grünen Kratersee das seltene Phänomen des „blauen Feuers“ bestaunen können. Weil es diese Naturerscheinung weltweit nur zwei Mal gibt, sind wir umso mehr gespannt, die Action nach der längeren Zeit des Chillens in Bali nun mit eigenen Augen zu sehen. Schließlich freuen wir uns, denn wir finden einen Anbieter, der uns am Abend nach eineinhalbstündiger Fahrt samt Guide und Gasmaske in den Vulkan bringen will.

Nach einem Abstecher zum Shoppingcenter wollen wir noch den Bus am südlichen Busbahnhof für unsere Weiterreise in die Tempelstadt Yogyakarta klar machen. Nach unserer eher negativen Erfahrung vom Bus in Bali wollen wir diesmal genau abwägen, ob wir nicht lieber mit dem Zug fahren wollen. Am Busbahnhof angekommen empfängt uns ein freundlicher Typ namens Maman, ein angeblich offizieller Touristeninfomensch. Er erklärt uns, wie toll der Bus doch sei, mit dem wir am nächsten Tag fahren sollen und kann uns unsere Vulkan Tour sogar einiges günstiger anbieten, als unser Internetanbieter.
Okay, obwohl den anfänglich so freundlichem Typ nicht so ganz über den Weg trauen, lassen wir uns schließlich auf ihn ein, buchen vertrauensvoll den Bus für den nächsten Tag und sagen auch dem anderen Touranbieter ab. Abends schlemmen wir erneut Gado-Gado (Gemüse mit Erdnusssauce), Mi-Goreng und andere leckere Gerichte für einen Spottpreis an der Street-Food Ecke und sind gespannt, ob er uns wie versprochen spät abends abholen wird.

Abends um halb 12 treffen wir uns pünktlich mit Maman und dem Fahrer des Jeeps, der uns vier nun etwa eineinhalb Stunden lang den Mount Ijen hinauf fährt. In stockdunkler Nacht bringt uns anschließend unser schmächtiger, sympathischer Senior-Guide den anfänglich einfachen, aber dennoch anstrengenden Weg unter strahlendem, tiefschwarzen Sternenhimmel in Richtung des Kraterrands. Früher war er selbst einer der Träger, aber mit seinen geschätzten 50 Jahren ist er wohl bereits am Ende seiner „Karriere“. Je näher wir in Richtung Gipfel kommen, desto stärker riecht es nach verbranntem Holz und dem immer intensiver in die Nase steigenden Schwefeldampf. Vor kurzem hat hier ein Waldbrand gewütet, denn hin und wieder glimmen und knacksen am Wegesrand ein paar lodernde, glutrote Baumstämme .

Die Stimmung ist magisch und es kommt uns vor, als ob wir das Außenteam von Raumschiff Enterprise sind, die sich zu Ihrer Abholstelle auf einem fremden Planeten durchkämpfen müssen. Keuchend erreichen wir den Gipfel, an dem der Schwefelgestank mittlerweile immens zugenommen hat. Es ist so langsam Zeit für unsere Gasmasken, auf die wir, wie sich zeigen wird, glücklicherweise viel Wert gelegt haben.

Steil fällt der Weg in den Krater hinab. Über schroffe Felsen und gelblich verfärbte Stufen geht es immer tiefer hinein in den rauchenden Schlot. Zum ersten Mal treffen wir auf die Schwefelarbeiter, die hier morgens um halb drei bereits ihre Schicht beginnen.

Über Ihren Schultern tragen sie die leeren Körbe hinab zum Kratermittelpunkt, an dem die gelben Schwefelbrocken händisch abgebaut werden. Je tiefer wir vordringen, desto dichter schlagen uns die übel riechenden, beißenden Rauchschwaden entgegen.

Wir pressen die Gasmasken auf unsere Gesichter, denn trotz Maske fällt einem das Atmen schwer und der beissende Rauch dringt unaufhaltsam in die Bronchien.

Die Augen brennen und tränen, die Atmung bleibt trotz des Hustenreizes im Hals möglichst flach.

Kurz bevor wir ganz unten sind, macht der Rauch, die brennenden Augen und die Müdigkeit Jasmin bereits stark zu schaffen. Dennoch müht sie sich die letzten Meter herunter, als wir erstmals einen klaren Blick auf das werfen können, was es gerade zwei Mal auf der Erde gibt: die schimmernden, blauen Vulkanfeuer.

Mit Worten kann man kaum beschreiben, welches Schauspiel sich vor unseren Augen abspielt. Wie auf einem anderen Planeten bestaunen wir die ca. 20m breiten, tiefblauen lodernden Feuer brennender Schwefelsäure, vor denen einer der Minenarbeiter mit seiner Stirnlampe die gelben Schwefelbrocken herausbricht und zum Abtransport vorbereitet.

Immer wieder dreht die Windrichtung versperrt uns mit dem giftigen, dichten Rauch die Sicht. Nun gilt es möglichst den Atem anzuhalten und die Augen zusammenzukneifen, denn hoffentlich dreht wenige Sekunden später die Windrichtung und lässt wieder atembare Luft in die Lungen. Flo und Melli bauen trotz dem Getöse und der widrigen Umstände die Kameraausrüstung auf und schießen ein paar der beeindruckenden Bilder (© by engel).

Jasmin wird der Rauch und die Atemnot dennoch langsam zu viel und wir machen uns dran, ein paar Höhenmeter zu gewinnen, um das Spektakel bei etwas besseren Luftbedingungen zu beobachten. Fast panikartig kämpfen wir uns die steilen Stufen hinauf, die Anstrengung will einen tief und schnell atmen lassen, der Schwefeldampf sagt dem Gehirn aber das genaue Gegenteil. Aber kaum haben wir einige Höhenmeter hinter uns gelassen, klart die Sicht auf und wir können die Masken von unserem Gesicht nehmen und endlich wieder halbwegs klare Luft atmen.

Flo und Melli sind indessen noch ein Stück weiter nach unten gestiegen, direkt zu den Quellen der Rauchschwaden. Unten sieht man noch einen Teil der Rohrleitungen, mit denen der heiße Schwefeldampf zu den tiefer liegenden Abbaustellen geleitet wird. Der 240° Grad heiße Schwefel erkaltet dort und insgesamt werden täglich sechs Tonnen des gelben Schwefels von den Trägern stückeweise erst die ca. 100 Höhenmeter rauf zum Kraterrand und dann in Richtung Tal geschleppt. Der Vulkan produziert die gleiche Menge des gelben Rohstoffs seit vielen Jahren jeden Tag aufs Neue.

Es ist ein beeindruckendes Schauspiel, was uns unsere Erde hier bietet. Erst jetzt wird uns so richtig bewusst, was diese Minenarbeiter hier täglich leisten. Keiner der Arbeiter hat eine Gasmaske, lediglich halten einige von ihnen ein Tuch vor ihrem Mund, viele sind in ausgetretenen Gummistiefeln oder gar Flipflops unterwegs. Während wir ein Stück weiter oben auf Melli und Engel warten, sehen wir zwei von Ihnen ein Stück unterhalb eine Verschnaufpause machen.
Ich ergreife die Möglichkeit, kletter zu ihnen herunter und komme mit den beiden sehr sympathischen Typen ins Gespräch. Sie erzählen in ganz gutem Englisch von ihrer mörderischen Arbeit hier im Krater, zeigen mir ihre kaputte Elefantenhaut über den Schlüsselbeinen, wo die schweren Körbe aufliegen.

Der schmächtigere erzählt, dass er selbst gerade einmal 47kg wiegt und hier zwei Mal täglich seine 60kg schweren Körben herauf trägt. Und das ist noch eher ein Leichtgewicht, die Jungs mit den richtig schweren Körben nehmen bis zu 100kg pro Ladung auf ihre Schultern. Umgerechnet bekommt er pro Lieferung gerade einmal vier bis fünf Euro, mit denen er seine Frau und seine Tochter auf diese Weise bereits seit unglaublichen 18 Jahren durchfüttert, aber damit verdient er um einiges mehr als ein durchschnittlicher Fabrikarbeiter oder Reisbauer. Trotz der unglaublichen Arbeit machen die beiden eigentlich einen gut gelaunten und irgendwie ganz glücklichen Eindruck.

Um mir eine Vorstellung von dem zu machen, was die Jungs hier täglich leisten, will wenigstens einmal seinen Korb schultern. Die beiden helfen mir dabei, den schweren Korb hochzunehmen, ohne dass dieser umkippt. Kaum liegt das ganze Gewicht auf meiner Schulter wird mir klar, wie unfassbar hart diese Jungs hier sind. Der Korb ist grenzwertig schwer und das harte, ungepolsterte Holz schneidet sich tief in die Muskulatur über dem Schlüsselbein. Kein Wunder, wie kaputt und aufgeschwollen ihre Haut an dieser Stelle aussieht, denn bereits ein paar Meter geradeaus laufen ist so eine Qual. Aber sie kämpfen sich nicht nur entgegen der hustenreizenden Schwefeldämpfe den extrem steilen Aufstieg zum Kraterrand hinauf, sondern tragen das immense Gewicht noch weitere drei Kilometer den Trail entlang in Richtung Tal. Die meisten sind daher so ab ca. 50 Jahren körperlich am Ende und viele haben auch keine viel höhere Lebenserwartung. Wir vermuten, dass viele der älteren Fahradrikschafahrer der Stadt früher einmal diese Arbeit verrichtet haben..

Auf dem Rückweg aus dem Krater kommen uns einige Duzend Arbeiter entgegen. Die meisten grüßen uns mit einem sehr freundliche „Hiiii“ und trotz ihres mörderisch aufreibenden Jobs haben die meisten gute Laune. Oben angekommen warten wir trotz des kalten Winds noch bis zum Sonnenaufgang, der die wunderschönen Schattierungen des Vulkangesteins und den atemberaubenden Ausblick auf die gegenüberliegenden Vulkane erst sichtbar macht. Mit einem unglaublichen Gefühl, ganz besonderen Bildern im Kopf, Erschöpfung und Müdigkeit verlassen wir während des Sonnenaufgangs diesen weltfremden Ort.


Den gesamten Abstieg in Richtung Jeep begleitet uns vieren dieser aufwühlende Gefühlsmix. Es ist eine Mischung aus Mitleid, Staunen, Fassungslosigkeit und gleichzeitiger Bewunderung für die Minenarbeiter mit gleichzeitiger Faszination über das erlebte Naturschauspiel, und die wunderschöne, fremde Landschaft. Die Klamotten stinken intensiv nach Schwefel, was auch später noch wochenlang (trotz Waschen!) in unserer Nase liegen wird. Jedenfalls sind wir alle unheimlich beeindruckt von dem, was wir dort gesehen haben.

Der Jeep bringt uns morgens um sieben zurück zum Hotel. Bleiernde Müdigkeit hängt uns in den Knochen, aber schon drei Stunden später werden wir nach einem kurzen Nickerchen und einer Dusche wieder aufbrechen, auf die endlose Busreise in Richtung Yogyakarta

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