Neuseeland,  Nordinsel

km 38518: Ausflug in den Norden & OP Vorbereitung

In der Zwischenzeit hat Jasmin verschiedene Ärzte in der Schweiz und Deutschland  angeschrieben. Erfreulicherweise haben tatsächlich die meisten persönlich geantwortet. Sie geben ihr in langen emails ihre Einschätzung und empfehlen ein paar ihrer Kollegen in Auckland. Die zwei Ärzte, die wir kontaktieren, zeigen viel Verständnis für unsere Situation auf der Weltreise und geben ihr jeweils nach ein paar wenigen Tagen Termine. Nachdem sie zwei der Docs gesehen hat, ist klar – um eine OP wird sie wohl leider nicht herumkommen. So entschließt sie sich mit viel Angst und schweren Herzens zur Operation. Das wollte sie ja eigentlich unbedingt vermeiden, obwohl ihr die meisten Ärzte eher zur OP, aber alle Osteopathen und Naturheilärzte davon abgeraten haben. Denn angeblich soll es ja auf der Reise einfach so heilen. Aber obwohl die Hoffnung zuletzt stirbt, muss sie wohl nach einem Jahr des Leidens nun wohl leider die harte Realität akzeptieren.

Und Jasmins größte Angst ist, dass die OP zwar gemacht wird, aber der Arzt es irgendwie versaut und sie selbst nach der OP noch immer Schmerzen hat, der Nerv verletzt wird oder sonstige bleibende Schäden entstehen. Die Alternative wäre nur eine dritte Kortison Spritze, die das Gewebe und die Sehnen allerdings ebenfalls nachhaltig zerstören kann. Also hat sie nur die Wahl zwischen Regen und Traufe. Und das Kortison hat leider immer nur zeitweise geholfen, also bleibt wohl nur eins – die verdammte Operation. Nach einer Woche Bedenkzeit fällt sie dann die Entscheidung hin zu Dr. De Chalain. Zwei Wochen später ist der Termin, also behalten wir die Wohnung, um nach der  OP im “eigenem” Zuhause die erste Regenerationszeit abzuwarten.

Jasmin genießt es sehr, einen Rückzugsort zu haben und braucht nach der ganzen anstrengenden Zeit des Autokaufs und Umbaus sowie dem Ablaufen der Ärzte ein paar Tage Ruhe.

Melli und Engel wollen mit ihrem Mitch den ersten Ausflug starten. Mich lockt es ebenfalls sehr, mein Bike und den Camper auszuprobieren. Also schnapp ich an meinem Geburtstagsmorgen – nach einem schönen Geburtstagsfrühstück mit Jasmin – Bike und Van und treffe mich mit Melli und Engel etwas nördlich von Auckland am Meer. Nach einer Flasche Sekt und Mellis selbst gekauften Kuchen, verbringe ich die erste Nacht im Kiwi.

Die Nacht ist mit gerade mal 9°C zwar eiskalt, aber das Übernachten im selbst umgebauten Auto hat schon ein ganz besonderes Flair. Eingewickelt in zwei Schlafsäcken und der Rücken gewärmt von einer Fleecedecke ist es dennoch super gemütlich.

Am Morgen schwing ich mich bei schönstem Sonnenschein erstmal auf mein Bike und fahr die Gegend ab. Einen vielversprechenden Trailrunning Track hab ich schon am Vortag entdeckt, also bleibt das Bike an dessen Start stehen und der etwa einstündige, anspruchsvolle Trail führt mich am Meer entlang um einen Hügel herum. Der von Bali faule Körper freut sich jedenfalls über Bewegung…

Die $8 für die Übernachtung wirft man einfach vorne in einen Briefkasten. Morgens schaut der Ranger noch vorbei und wir unterhalten uns nett mit ihm, er gibt uns sogar noch Tips, wo noch sehr schöne Orte im Norden sind, und an welchen davon noch illegal übernachtet werden kann.

Während Melli und Engel am nächsten Tag weiter in Richtung der nördlichsten Nordspitze der Nordinsel Nordneuseelands fahren, beschließe ich, lieber auch ein paar Tage für mich zu verbringen. So mache ich mich auf den Weg und werde die nächsten Tage im Woodhill Forest beim dortigen Bikepark verbringen.  Der Kiefernwald liegt nur etwa eine dreiviertel Stunde von Auckland entfernt. Die Jungs haben in den letzten Jahren mit viel Eifer einen Trail nach dem anderen in den Wald geshaped. Es gibt zwar weder Berg noch Gondel wie man es bei uns kennt, auf den ca. 50 Single Trails mit insgesamt 130km Länge kommt unheimlich Freude auf.

Nur der Kiwi lässt mich leider am nächsten Morgen im Stich. Der Starter hat von Anfang an schon etwas gezickt und auch der Austausch des Magnetschalters scheint keine Besserung gebracht zu haben. Ausser einem “Klick” macht macht der Starter leider nix. Mir bleibt nach unzähligen sinnfreien Schlüsselumdrehungen nur noch eins. Rauf aufs Bike und zum nächsten Haus, morgens um acht den armen Besitzer wecken und ihn freundlichst bitten, mich mit dem Seil anzuschleppen. Der eher grimmige Hells-Angels Typ ist aber viel freundlicher als er aussieht und obwohl ich ihn offensichtlich aus dem Schlaf geklingelt hab, schleppt er mich eine viertelstunde später erfolgreich an. Also lass ich mir meine Vorfreude nicht nehmen, denn heute geht’s erneut ab in den Wald. Ab jetzt wird jedenfalls nur noch abschüssig geparkt!

Am Sonntag findet zu meinem Glück noch der Produktlaunch 2015 statt, an dem viele Bikehersteller ihre nagelneuen Bikes und Equipment ausstellen und zur Probefahrt einladen. So kann ich mein eher altes Bike mit der dürftigen Gabel und den Felgenbremsen am Zaun stehen lassen und mich auf die nagelneuen Bikes von Specialized, Trek, Avanti und Giant stürzen. Insgesamt fahr ich fünf verschiedene Bikes, das brachiale 29er Specialized Enduro, das eher verspielte Trek Lightning und die beiden neuen Modelle des Giant Genius.

Letzteres gewinnt für mich auf diesen Trails, denn mit der voll fernsteuerbaren Einstellung von Gabel und Sattelstütze ist es wie gemacht für das flowige Auf- und Ab in den Hügeln des Parks. Nachdem das Adrenalin so langsam wieder meinen Körper verlässt, brat ich mir noch eins der riesigen 450g Steaks und geniesse bei nem kalten Becks die Abendsonne..

Da der Starter mittlerweile nur noch per Zufall auch mal normal funktioniert, ist klar, dass ich am Montag erstmal zurück nach Auckland zur Werkstatt muss. Aber als allerallererstes muss ich morgens noch einen neuen Schlüssel organisieren, denn der (einzige) Alte wäre mir am Vortag beinahe abgebrochen. Der Mech hat nach dem erneuten Ausbauen des Startes dann endlich das Grundproblem gefunden, irgendwie lag es doch am Strom, was er nun mit irgendeinem Relais gelöst hat…

Ich nutze die nähe zur Wohnung und bleibe für eine Nacht im heimischen Bettchen mit Jasmin. Sie möchte sich lieber gedanklich auf ihre OP vorbereiten und statt den kalten Nächten im Camper besser in der Wohnung verbringen. Und vor allem möchte sie einfach Zeit haben für sich ganz allein. Denn das kann einem auf so einer langen Reise schnell mal abhanden kommen…

So fahren wir also das letzte Mal zu Dritt für ein paar Tage in Richtung der Nordostküste, zur atemberaubenden Coromandel Peninsula. Melli möchte dort unbedingt den Hot Water Beach sehen, an dessen Strand eine Quelle vulkanisch heissen Wassers direkt durch den Sand in Richtung Oberfläche sprudelt. Als wir ankommen, sind wir allerdings nicht alleine, denn es tummeln sich schon ein paar dutzend Familie in ihren selbstgebauten, kleinen Sandpools. Juhu, wie ich sie liebe, die Touristenmassen.. Aber davon mal abgesehen ist es irgendwie lustig, zwischen dem etwas zu kalten Meerwasser und dem etwas zu heißen Wasserrinnsaalen hin und her zu tapsen.

Sobald man seine Füße etwas im Sand vergräbt, wird’s ganz schnell zu heiss und man muss sie wieder im kalten Meerwasser abkühlen. Der Trubel ist uns dennoch nach 10 Minuten schon zu viel und am Strand machen wir erstmals Bekanntschaft mit den kleinen, fiesen Sandfliegen. Wir flüchten lieber vom Strand und fahren noch zur nördlich gelegenen Mercury Bay.

Die an dem wunderschönen Strand gelegene „Cathedral Cave“, einer natürlichen Steinhöhle mit einer kathedralen-artigen, spitz zulaufenden Decke ist sehr beeindruckend. Überhaupt verschlägt es einem beim Bestaunen der pittoresken Ostküste mit ihren vielen kleinen vorgelagerten Inseln und den superglatt geschliffenen Felsbrocken immer wieder den Atem.

Den Abend geniessen wir bei einer leckeren Pizza und können auch gleich auf dem Parkplatz der Weinbar kostenlos übernachten. Denn es ist gar nicht so einfach, in Neuseeland irgendwo ohne Bezahlung übernachten zu können. Fast alle Wälder, Feldwege und sonstige schöne Orte sind entweder eingezäunt, haben eine Schranke oder ein Warnschild mit „Campen verboten“. Dann bleiben nur die staatlichen DOC Campsites, an denen man meist ca. $6-10 Dollar abdrücken muss.

Am nächsten Tag starten wir früh los, denn wir müssen erst die 80km lange Passstrasse zurück nach Thames, bevor es weitere 20km auf einer Schotterpiste bis zum Parkplatz das Tal entlang geht. Hier startet unsere Wanderung zur Bergspitze des „Pinnacle Hut“. Die Natur ist in der Nordostspitze der Nordinsel wieder mal spektakulär und wir haben unheimliches Glück mit dem Wetter, denn auf unserer achtstündigen Wanderung scheint durchweg die Sonne – was in Neuseeland nicht gerade zum Standard gehört. Der Kauaeranga Kauri Trail wurde von den alten Holzfällern geprägt, die über die Jahre unzählige Stufen in den harten Stein geschlagen haben, damit die Pferde leichter den steilen Pfad rauf und runter kommen. Oben angekommen haben wir trotz des kalten Winds einen spektakulären 360° Blick, der – obwohl wir in der Mitte der Coromandel Halbinsel sind – bis zum Meer reicht. Erschöpft waschen wir unsere salzige Haut abends im kalten Fluß, bevor wir mit einem großen Teller Nudeln im Bauch in den verdienten Schlaf wegschlummern.

Nach der großen Wanderung in Coromandel fahren wir nach Süden in Richtung Rotorua. Wandern macht zwar Spass, aber der Thrill eines Single Trails juckt mir in den Fingern und daher trenne ich mich für den Tag von Melli und Engel und mache einen Abstecher nach Te Ahora. Dort gibt es einen der Top 10 Trails der Nordinsel, den ich mir nicht entgehen lassen will. Da ich nach dem Woodhill Bikepark bereits überzeugt bin von den neuseeländischen Trailbauern, hoffe ich erneut auf einen flowigen, schönen Trail und werde auch hier nicht enttäuscht. Ich mach noch eine extra Seite über Mountain biken in Neuseeland, also spar ich mir hier die Details.

Nach der Trailaction gönn ich mir noch ein Bad im heissen Spa, das nur $7 Eintritt kostet und meine brennenden Beine wieder ins Leben zurückholt. Mit Melli und Engel treffen ich mich in Rotorua, wo wir nach einer eiskalten Nacht gemeinsam den nächsten Tag im Redwood Bikepark verbringen. Melli und Engel leihen sich für teure $80 ein Bike aus, aber das ist wohl für neuseeländische Verhältnisse noch relativ günstig.

Ich freu mich zwar, dass ich mir mit meinem Bike die Mietkosten sparen kann, aber mit Felgenbremsen und der Billiggabel kommt das Bike in diesem Park schon stark an seine Grenzen. Die Trails sind nämlich knackig und technisch anspruchsvoll, laden aber mit viel Flow auch zum loslassen der Bremsen ein. Der Park ist jedenfalls der absolute Traum für jeden Mountainbiker und es ist sicher nicht das letzte Mal, dass ich hier bin.

Flo findet für die Nacht über die App ‘Wikicamps’ einen wunderschönen Spot an einem kleinen See. Da die Nächte immer noch sehr kalt sind und ausserdem ein eisiger Wind weht, kommt zum ersten mal das Aussenzelt vom Kiwi zum Einsatz. Trotz Zwiebellook und dem Plündern des Rucksacks auf der Suche nach warmen Klamotten helfen nur ein paar Gläser Wein gegen die Kälte.

Nach dem Ausschlafen meines leichten Katers geht’s für mich am nächsten Tag mit viel Vorfreude auf das Wiedersehen mit Jasmin zurück nach Auckland. Bereits am übernächsten Tag ist ihre OP, also wird es jetzt definitiv ernst. Je näher das Datum rückt desto mehr Respekt und Bammel bekommt sie. Aber der Arzt Dr. de Chalain macht ihr gute Hoffnung, dass sie nach der OP endlich beschwerdefrei sein wird.

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