Indien

Km 21999 Indien Kollam, Alappuzha & Kumily

Jasmin arbeitet nach der Kur den nächsten Abschnitt allein aus und somit bin ich sehr gespannt, wohin wir als nächstes reisen. Es geht zum Busbahnhof und einer der eher schrottigen Linienbusse bringt uns für etwas mehr als einen Euro in die 2.5h entfernte Stadt Kollam. Busfahren in Indien ist so spottbillig, dass man wahrscheinlich für 50€ durchs ganze Land reisen kann..

Die einzigen Touristen, neben all den Indern im Bus, sind wir zwei. Die Fahrt dauert länger als erwartet und als wir schon in Kollam sind, haben wir wohl nur noch 10 min Zeit ans Ziel zu kommen (wo auch immer das ist). Der Bus fährt dann auch noch zu unserem Entsetzen zum Tanken raus. Kurz entschlossen packen wir all unseren Kram, springen aus dem Bus und rein ins Tuktuk, das an der nächsten Zapfsäule steht. Wir machen dem Fahrer klar, dass er ordentlich auf die Tube drücken soll..

Endlich kenne ich nun auch unseren Plan. Der wäre eigentlich, mit einer Fähre die achstündige Fahrt durch die Backwaters zu nehmen, einem weit verzweigtem Flussnetz zwischen Kollam und Alappuzha. Wir kommen zwar gerade noch pünktlich am Hafen an, aber dort erklären uns die Locals, dass die Fähre derzeit leider nicht fährt. Super – irgendwo wird wohl eine neue Brücke gebaut, weshalb der Weg versperrt ist. Wir nehmen es dennoch locker, denn so läuft es halt anscheinend nun mal in Indien und glücklicherweise fahren die Busse direkt nebenan ab. Wieder mal merkt man, dass die Inder ein Milliardenvolk sind, denn die Busse ins 2h entfernte Alappuzha fahren alle Viertelstunde.

Die ersten Busse sind so überfüllt, dass wir freiwillig darauf verzichten, uns und unser Gepäck da noch reinzuquetschen. Nach einer halben Stunde finden wir im dritten Bus aber schließlich genügend Platz und freuen uns, zwei Stunden später endlich am Meer angekommen zu sein. Der Turtle Beach macht auch gleich mal seinem Namen alle Ehre, denn am Strand liegt eine ausgewachsene, riesige tote Meeresschildkröte und quillt so vor sich hin.

Bei der morgendlichen Joggingrunde sehe ich dann auch zum ersten Mal die am Strand kackenden Inder, von denen man als Reisender so hört. Also, Klischee bestätigt, die Intimzone wird hier einfach anders ausgelegt als bei uns, denn den guten Mann scheint es kaum zu stören, dass ich an ihm vorbeijogge..

Ansonsten ist das Städchen nicht so spannend, wir kaufen haufenweise Bananenchips und andere leckere Snacks. Jasmin darf sogar mal selbst ran an den Frittiertopf in einem der vielen Läden.


Überhaupt ist das Essen fantastisch, wie fast immer bisher in Indien. Die indischen Curries, Masalas, Parottas und Putas sind einfach der Hammer. Es ist jetzt bereits klar, dass uns das indische Essen auf dem Rest der Reise sicher noch abgehen wird.

Eine Spezialität Indiens entdeckt Jasmin in einer Seitengasse. Erst checken wir nicht so richtig, was der Verkäufer da an den Mann bringt. Nachdem wir neugierig gucken, zerkleinert er eine der steinharten Nüsse, streicht etwas weissen Kalk und eine andere Paste in ein frisches Pflanzenblatt und schenkt uns das Endprodukt. Ich erinnere mich schwach und vermute eine Betelnuss. Etwas Recherche bestätigt meine Eingebung. Die Betelnuss ist ein weit verbreitetes Rauschmittel in Asien und wird aufgrund des bitteren Geschmacks mit einem aromatischen Betelpfefferblatt gekaut. Der Kalk löst den Wirkstoff und führt zu einem alkoholähnlichen Kurzrausch, der in etwa eine halbe Stunde lang anhält. Nachdem wir durch die Ayurveda Kur ohnehin seit längerem keinen Alkohol getrunken haben, ist es lustig, mal wieder leicht „betrunken“ zu sein – wenn auch die Wirkung nur kurz anhält und der Geschmack wirklich grenzwertig widerlich ist. Überall hängen einem danach die zerkauten Betelbrösel im Mund rum man muss dauernd ausspucken, denn der Speichelfluss ist übermässig angeregt. Die Betelkonsumenten sind an der leuchtend roten Zunge leicht zu erkennen. Meins ist es jedenfalls nicht, aber eine Erfahrung war’s allemal wert..

Nach der Bootspleite von Kollam wollen wir nun aber definitiv mit dem Boot durch die Backwaters in Richtung Kottayam fahren. Jasmin hat einen guten Riecher und so finden wir am zweiten abend statt der überfüllten Fähre, ein chilliges Privatboot samt Honeymoon Liege. Der Skipper bringt uns am nächsten morgen nun durch das Flußnetz bis zur ca. 60km entfernten Stadt Kottayam.

Die Fahrt führt vorbei an riesigen Reisfeldern und man kann kaum glauben, wie die Menschen hier auf einem ca. 2-3m breiten Steg zwischen Reisfeld und Fluss leben. Aber je länger wir reisen, desto mehr wird einem klar, in welchen Verhältnissen Menschen ihre Existenz fristen.

Es ist wohl entweder viel Gewöhnungssache oder die Leute sind einfach einen Tick härter im Nehmen als wir verwöhntes Westvolk.

Die dunklen Monsunwolken verschonen uns netterweise und nach Ankunft in Kottayam verbringen wir die Nacht in einem eher schäbigen Hotel in der Innenstadt. Der supernette Consierge Opa erzählt uns, dass abends ein zehntägiges Festival in der Stadt mit großem Umzug startet. Gespannt legen wir uns abends mit der Kamera auf die Lauer und verfolgen das laute und bunte Spektakel.

Wieder mal scheinen wir fast die einzigen Touristen zu sein. Das ist wohl neben den immer freien und günstigeren Unterkünften einer der Vorteile, wenn man Offseason reist..

Absperrungen gibts keine und die Fahrzeuge mit den bunt bemalten Tänzern, Trommlern und allen möglichen bunten und schrägen Verkleidungen bahnen sich ihren Weg durch die Menge. Das funktioniert auch offensichtlich trotz der Menschenmassen ganz ohne Absperrgitter und Horden von Security, wie es bei uns der Fall wäre. Nach dem Umzug sprechen mich erneut ein paar Inder an, die unbedingt ein Foto mit mir machen wollen und sich anschliessend mit viel Lächeln und Händeschütteln dafür bedanken. Mir ist zwar immer noch nicht klar, was das soll, dennoch fange ich wirklich irgendwie an sie zu mögen, diese Inder 🙂

Eine Nacht reicht allemal in der lauten und stickigen Stadt und wir nehmen am nächsten Tag den Bus in Richtung Kumily, unserer (eigentlich) kurzen Zwischenstation auf dem Weg nach Madurai. Der Weg ist abenteuerlich, der Busfahrer scheint aber die kurvige Straße entlang einer steilen Klippe gut zu kennen. Das ist auch nötig, denn er fährt schnell, es gibt nur wenige Leitplanken und der Abhang fällt fast senkrecht und ohne erkennbaren Boden in den grünen, nebelverhangenen Dschungel ab.

Aber ein gewisses Urvertrauen ist in Indien wohl nötig. Und wie erwartet bringt er uns schließlich sicher ins kleine, beschauliche Städtchen Kumily, welches am Eingang eines der größten Tigerreservate Indiens liegt, dem Periyar Tiger Reserve.

Während wir uns gerade mit einem Biryani und nem Chaitee stärken und im Internet nach einer Bleibe suchen, spricht uns einer der Schlepper an. Der Typ geht uns nach dem dritten Mal nachfragen schon langsam auf die Nerven. Da wir aber im Internet auch nichts Vernünftiges finden, geben wir schließlich nach – denn was er in einem netten deutsch zu uns sagt, ist ja schließlich wahr „gucken-kostet-nix“. Tatsächlich führt er uns zu einem wunderschönen, liebevoll über die Jahre hinweg gestalteten Innenhof, umringt von verschieden hohen Holzhäusern. Die Familie wohnt selbst dort und vermietet nebenher ein paar Zimmer.

Der sympatische Daddy arbeitet sonst als Elefantenbetreuer im Nationalpark und wir fühlen uns von ihnen sofort herzlich willkommen und wie in ihrer Familie aufgenommen. Unser Zimmer ist das „Penthouse“, denn auf jedem Stock gibt es nur eins davon mit Blick über eine große, sumpfige Wiese auf den indischen Regenwald des Tigereservats. Da wir in der Nebensaison sind, kostet das Zimmer nur etwas mehr als die Hälfte des Normalpreises und mit ca. 15€ pro Nacht sind wir überglücklich, hier die nächsten Tage zu verbringen. Aufgrund der höheren Lage ist das Klime um einiges kühler und angenehmer als in der schwülwarmen Küstenregion. Mit der richtigen Bettwäsche kommt so bei uns echte Honeymoon Stimmung auf.

Abends sehen wir dann auch die ersten Tiere auf der vor uns liegenden Wiese. Leider sind es keine Tiger, denn im Park leben nur gerade mal 35 Stück. Selbst unser Schlepper hat in den 7 Jahren, in denen er hier arbeitet, nur drei mal einen Tiger gesehen. Also begnügen wir uns vorerst mit den Wildschweinen, Wasserbüffeln und Rehen, die vor unserer Bleibe abends friedlich grasen.

Auf dem Weg in die Ladenstrasse Kumilys entdecken wir in einem der großen Bäume eine Schar der s.g. indischen Riesenflughunde, die zu Hunderten kopfüber an den Ästen hängen. Einige von ihnen haben sich ihren Platz ganz vorn in die Astspitzen gesucht, so dass sie der Wind sanft umherschaukelt.

Der ayurvedische Masseur an der Ecke erklärt uns, dass sie zu Beginn der Dämmerung in Richtung der Fruchtplantagen losstarten. Das wollen wir uns nicht entgehen lassen und ein paar Tage später werden wir Zeuge des abendlichen Schauspiels. Tausende und abertausende von den Viechern erheben sich aus den Wäldern und fliegen fast lautlos in die selbe Richtung ab. Von unten erkennt man ganz klar die Batman Form und mit ihrer Spannweite von über einem Meter sind es imposante Tiere, insbesondere in dieser immensen Anzahl.

Mit welchen Jobs manche ihren Lebens- unterhalt bestreiten ist schon manchmal überraschend. Der Typ repariert gebrauchte Regenschirme und was da noch so auf seinem Haufen liegt. Aber da es viel regnet und fast jeder einen Schirm mit sich rumschleppt hat er immer genug zu tun..

Wir probieren noch eine der dicken Stinkfrüchte, die erstens gar nicht so stinkig ist und zweitens doch sehr lecker.. So eine Mischung aus Banane und Honigmelone..

Ansonsten verfliegen die Tage zwischen Schlafen, Yoga, Stadtbummeln, dem Lauschen der prasselnden Regentropfen oder dem Beobachten der Tiere beim Grasen. Bei all dem Regen hab ich mir noch eine kleine Erkältung eingefangen und kuriere die erstmal aus. Dann holt sich Jasmin bei einem Ausflug einen Blutegel zwischen den Zehen, später erwischt mich im Tigerreservat noch einer zwischen den Fingern. Ich frage mich, wie der da hingekommen ist, anscheinend sind die Biester schneller als man denkt. Aber nachdem er sich vollgesogen hat, lässt er freiwillig los.
Bevor wir uns versehen können, sind wir fast 10 Tage geblieben. Zum ersten Mal scheint Zeit keine Rolle zu spielen und scheinbar sind wir also angekommen, in dieser so genannten Entschleunigung. Passend dazu ist in der aktuellen Spiegelausgabe der Headliner „Gegen die Uhr – Die hektische Suche nach einem entschleunigten Leben“ (Nr. 36, 1.9.14) – übrigens sehr lesenswert (email me wer den haben will).

Zwischen den Regengüssen gucken wir uns die „Spice Gardens“ an, in dem uns ein Guide viele der lokalen Gewürze und Heilpflanzen aus der Nähe zeigt. Neben Chilis, Mangos, Kaffee, Reis, Curry und Kakao zeigt er uns die aufwändige Herstellung vom viel verwendeteten Kardamom.. In dem Klima geht versteht man auch den Slogan besser, der hier überall geschrieben steht „India – gods own country“. Denn wenn es einen Gott gäbe, wär das hier wohl mindestens mal der Kräuter- und Gemüsegarten.

Nach dem besten Frühstück im gegenüberliegenden „Hotel“, was in Indien nur ein anderer Name für Restaurant ist, machen wir uns aber schließlich doch wieder auf zu neuen Ufern. Wir verschlemmen einen letzten Dosa – die riesigen, lecker braun gerösteten Reismehlfladen, Jasmins heissgeliebten Putu (einen gedämpften Kokos- Getreidehoschi) und der Chefe kredenzt uns noch kostenlos eine lokale Leckerei aus gestampften Cashews, Rosinen und Erdnüssen in einer süssen Honigsauce.. also in Indien jagt uns definitiv ein kulinarisches Highlight nach dem anderen.

Diesmal wartet Madurai auf uns, die bunte Tempelstadt Südindiens

3 Kommentare

  • Nici

    bis auf die Blutegel macht Ihr mir Indien ganz schön schmackhaft! Hat mich bisher eigentlich nie interessiert aber hört sich nach Sehenswert an! Schön, dass es Euch immer noch so gut geht und Ihr so fleissig schreibt – Nico, Du brauchst nie wieder in die schnöde IT zurück, schreib Dich reich als Buchauthor! Dicker Knutschaaaaaaaaa

  • nico

    huhuuu nicööölöööö.. ja indien is wirklich was spezielles.. also is sicher nicht alles toll, die armut, die städte, die menschenmengen, die hitze, aber es hat auch was mega cooles.. die leute sind saufreundlich und aufgeschlossen und es is echt günstig..
    also keine uneingeschränkte 100% empfehlung, aber ich würd nochmal hinfahren und dann von nord nach süd nochmal ein paar wochen verbringen.. haha und danke fürs kompliment, nene dafür langts dann noch lang nich 🙂 dickste hugs back, vielleicht schaff mas ja mal zu skypen…

    und kathrin, wann hastn du mal zeit?? ja geil mit dem egel, wo hattest du den her?

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